Die Wohnung ist ein zentraler Bestandteil der persönlichen Sphäre des Menschen. Hier findet er einen individuell gestalteten, geschützten Lebensraum, der Rückzugsmöglichkeiten und Geborgenheit bietet. Gleichzeitig ist sie Ausgangspunkt für Aktivitäten in der Öffentlichkeit und Ort der Freizeit. Die Wohnform beeinflusst die Möglichkeiten der Selbstbestimmung und der aktiven Teilhabe an der Gesellschaft. Kompetenzen für weitgehend selbstständiges Wohnen müssen in realistischen Situationen vermittelt und geübt werden. Der Lernort hierzu ist die Lehrwohnung, in der Wohntraining in unmittelbarer Nähe zum normalen Alltag stattfinden kann. Zu diesem Zweck wurde gemeinsam mit der Tom-Mutters-Schule eine zentrumsnahe Wohnung in Kempten angemietet. Die beiden Schulen vereinbaren in einem Nutzungsplan die Nutzungszeiten für jeweils ein Schuljahr. Am Wohntraining nehmen SchülerInnen des BVJ und der Berufsschulstufe teil, wobei die Dauer und Häufigkeit sich nach den individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen richtet.
Zum gesamten Projekt „Lehrwohnung“ gehören die Phasen der Vorbereitung, der Durchführung und der Nachbereitung/Reflexion. In der Vorbereitungsphase bilden sich die Wohngemeinschaften unter Berücksichtigung individueller Wünsche. Die zuständigen Betreuungspersonen beraten über eine pädagogisch sinnvolle Gruppenstruktur. Im Unterricht plant die Wohngruppe ihren Aufenthalt möglichst selbstständig und eigenverantwortlich (Buswege, Mahlzeiten und Einkäufe, hauspflegerische Tätigkeiten, Freizeitgestaltung). An der Durchführung nehmen bis zu vier SchülerInnen teil. Je nach Assistenzbedarf sind bis zu zwei Betreuer anwesend, die sich als Moderatoren verstehen und den SchülerInnen die Möglichkeit geben, Situationen mit den eigenen Fertigkeiten zu lösen, oder die Chance bekommen, neue Fähigkeiten zu erlangen. Die Form des Probewohnens kann unterschiedlich stattfinden (Anzahl der Übernachtungen, Ausmaß der Assistenz, Unterrichts- und Tagesstättenanwesenheit) und wird vom jeweiligen interdisziplinären Team organisiert. In der Nachbereitung reflektieren die Wohngemeinschaften mit dem Team das Wohntraining. Insgesamt fördert das Wohntraining Kompetenzen in allen Lebensbereichen, insbesondere auch die Fähigkeit zum Zusammenleben in der Gruppe und die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Wünschen der MitbewohnerInnen, denn Prozesse der Meinungs- und Konsensbildung werden als unumgängliche Bestandteile des gemeinsamen Lebens deutlich.